Rezension: Campbell/Pryce, Bibliotheken von der Antike bis heute

»Orte, an denen sich lesen, denken und träumen lässt«

Cover zu Campbell/Pryce, Bibliotheken von der Antike bis heute für Rezension

Nicht weniger als die gesamte Entwicklung der Bibliotheksarchitektur verspricht dieser Bildband darzustellen. In acht chronologisch aufeinanderfolgenden Kapiteln beschreibt James W. P. Campbell, Architekturhistoriker in Cambridge, wie und wo Bücher von der Antike bis heute aufbewahrt wurden und werden.

Dabei stellt er nicht nur die Gebäude vor, sondern er erzählt auch die Geschichte ihrer Erbauung und ihrer Erbauer soweit bekannt – eingebettet in den jeweiligen historischen Hintergrund. Es entsteht ein kulturgeschichtlicher Abriss mit dem besonderen Fokus auf Schrift-, Bildungs- und Buchgeschichte.

Bilderbogen des Büchersammelns

Zusammen mit dem Fotografen Will Pryce hat der Autor 82 Bibliotheken in 21 Ländern besucht. Die Fotos sind für sich genommen schon eine Augenweide. Doppel- und ganzseitige Aufnahmen präsentieren bekannte Beispiele wie den barocken Bibliothekssaal von Kloster Admont oder die klassizistische Eingangshalle der New York Public Library, Textseiten sind bebildert mit Außenansichten des Haeinsa-Tempels in Südkorea aus dem 13. Jahrhundert oder der Kapitelbibliothek von Noyon (1506–1507), mit Details von Pult- und Kettenbibliotheken, Büchertruhen und -schränken. Alles in höchster fotografischer Qualität. Skizzen, Stiche und historische Ansichten ergänzen gelegentlich die Darstellung.

Wissensspeicher im Wandel der Zeit

Die Stärke dieses Bands liegt darin, dass er sich zugleich wie eine kleine Bibliotheksgeschichte lesen lässt. Die zahlreichen Anmerkungen laden dazu ein, das Wissen zu vertiefen. Die Zeitreise beginnt bei den Keilschriftarchiven in Mesopotamien etwa 3000 v. Chr. und endet an der Li-Yuan-Bibliothek in China mit ihrer Fassadenverkleidung aus Ästen (2012). Sie führt an die unterschiedlichsten Orte, an denen Geschriebenes und Gedrucktes auf Tontafeln, Papyrus, Pergament oder Papier systematisch gesammelt wurde. Und sie zeigt, dass entsprechend der jeweiligen kulturellen Tradition verschiedene Typen von Räumen und Gebäuden entstanden.

Im letzten Kapitel über die »Bibliotheken im elektronischen Zeitalter« stellt der Autor noch einmal spektakuläre Beispiele für zeitgenössische Bibliotheken vor, etwa das Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum Cottbus (2004) oder die »schwebende« Biblioteca Vasconcelos (2006) in Mexiko-Stadt, in der Bücherregale und Treppen von der stählernen Dachkonstruktion abgehängt sind, verbunden durch gläserne Stege.

Fazit

Campbell fragt nach der Zukunft dieser Orte der Begegnung, des Lernens und der Inspiration und lässt die Antwort offen. Aber sein Buch feiert die Bibliotheken als »Wahrzeichen der Kultur und Zivilisation«. Es ist ihm wunderbar gelungen, Entwicklungen über lange Zeiträume hinweg nachzuzeichnen und dabei die Leserin, den Leser gut zu unterhalten.

Die Originalausgabe ist 2013 erschienen, ebenso die deutsche Erstausgabe. Mit der erweiterten deutschen Ausgabe lenkt die wbg Edition den Blick erneut auf Architektur- und Kulturgeschichte der Bibliotheken. Damit kann sich dieser Bildband neben einigen neueren Publikationen durchaus behaupten – und er schmückt jede Privatbibliothek.

 

James W. P. Campbell / Fotografien von Will Pryce
Bibliotheken von der Antike bis heute
Aus dem Engl. übersetzt von Gregor Runge, Dörte Fuchs, Jutta Orth,
wbg edition, erw. dt. Ausgabe, Darmstadt, 2021
Halbleinen, 22,8 x 29,3 cm, ca. 300 farb. Abbildungen, 328 S.
ISBN 978-3-534-27383-6, 60,00 Euro

Danke für das Rezensionsexemplar an den Verlag.

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