Bücherlese 2025

Buchcover-Collage

Mein Jahr als Lektorin begann, irgendwie passend zu den Zeitläuften, mit George Orwell. Geoff Rodoreda hat über dessen Zeit als Kriegsreporter in Deutschland 1945 geschrieben und Spuren davon in Orwells Meisterwerk 1984 aufgedeckt. Er zeigt, wie Erinnern den Blick auf unsere Gegenwart schärft.

Ein neues Buch von Fritz Stiegler entstand. Es handelt von seinem Haselnusshof und dem Leben als Bauer. Von der Angst, dass der Frost die Ernte vernichtet, und vom Klettern am Matterhorn. Verdammt harte Nüsse wird im Frühjahr erscheinen, und ich freue mich schon auf die erste Lesung im Haselnusshain.

Ich selbst durfte auch wieder lesen. Mit Verheißung und Dekadenz war ich zu Gast bei der Goethe-Gesellschaft und in Ulrike Bergmanns Kulturscheune. Jedes Mal fasziniert mich neu dieser Streit zwischen dem Kosmopoliten Turgenjew und dem Anti-Westler Dostojewski in Baden-Baden. Von 1867 bis heute ist es ein kurzer Weg.

Als Moderatorin nahm ich wieder am WortWärts-Literaturfest in Nürnberg teil, und als Mentorin für die Akademie Faber-Castell begann ich, ein Romanprojekt über weise Frauen zu begleiten. Es ist eine Freude, zu sehen, wie das Werk wächst.

Das Jahr hielt die ein oder andere Lektion für mich bereit. Mit der Logosynthese lernte ich eine Coachingmethode kennen, die auf die Macht der Worte setzt. Und mit Kolleg:innen erstellte ich einen »Wegweiser für den Einsatz von KI im freien Lektorat«.

Garantiert keine KI war hier im Spiel: Alb. Literarischer Wegweiser von Wolfgang Alber mit traumschönen Fotos von Carolin Albers. Das Buch führte mich in Gedanken durch die schwäbische Literatur- und Geistesgeschichte und an Orte wie den Albtrauf, die ich unbedingt auch ganz real erwandern möchte.

Durch Nina Blazons Hans Christian Andersen. Mit dem Märchendichter im Südwesten entdeckte ich den Schriftsteller als Reisenden ganz neu. Mit Marie Lacrosse und dem zweiten Band ihrer Dilogie Montmartre Traum und Schicksal war ich im Paris von Toulouse-Lautrec unterwegs, und mit Danela Pietreks Die Krabbenfischerin in der Morgendämmerung an der Nordseeküste.

Zwei Glanzlichter runden das Jahr ab: zum einen Bücherorte von Rita Kamm-Schuberth mit Fotos von Christian Höhn. Der Band zeigt Nürnberg als Bücher- und Literaturstadt. Ein später Nachklang zu Lust auf Bücher. Nürnberg für Leser, das ich 2005 herausgegeben habe. Zum andern Iwona Lomparts Denn im Leben gibt es manch Wundersames. Tagebuch der ersten Reise nach Vilnius. Das Buch erzählt zweisprachig deutsch/polnisch in Texten und Bildern von der Hauptstadt Litauens. Diesen Ort habe ich im Novemberlicht mit meinem Mann erlebt, und er hat uns mit seinem Aufbruchsgeist, seiner Leidenschaft für Europa verzaubert.* An der Peripherie sieht man manchmal klarer, worauf es ankommt.

Mit diesem kleinen Ausschnitt beende ich mein Bücherjahr. Dankbar für kreative Kundinnen und Kunden, für tolle Kolleginnen und Kollegen, für die Menschen um mich her. Nicht zu vergessen den Mann an meiner Seite, Axel Voigt, mit dem Büchermachen noch viel mehr Spaß macht.

Auf ein glückliches Bücherjahr 2026!

 

* Buchtipp: Czesław Miłosz, Die Straßen von Wilna, übers. aus dem Polnischen von Roswitha Matwin-Buschmann, München, 2005.

 

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